K.S. Frau Mensah-Schramm, können Sie sich noch an die Gefühle und Motive erinnern, die zu Ihrem mutigen Engagement gegen Hass von Neonazis geführt hatten? M.S. Entsetzen, Wut und eine gewisse Ohnmacht nach dem ersten Fund, weil ich noch nicht dazu fähig war, spontan zu handeln. Und dann aber die Erkenntnis: also ran, denn mit Nichtstun kann nichts erreicht werden- und etwa warten, bis es andere tun? K.S. Bekommen Sie bei Ihren Ausstellungen und/oder Workshops uneingeschränkte Unterstützung? M.S. Es ist sehr gemischt und es könnte viel besser gehen. Besonders ärgere ich mich darüber, dass keine, oder überhaupt eine optimale Vernetzung zwischen den einzelnen Initiativen stattfindet. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass man eher gegeneinander, als miteinander arbeitet. Vielleicht spielt da auch der sogenannte "Fördergeld-Neid" eine Rolle. Fest steht allerdings, dass gerade mein Ausstellungsprojekt als eines wohl der Ältesten überhaupt auch nach 17 Jahren keine öffentliche Förderung erhält. Einzige Ausnahmen waren zwei LAP-Projekte in der Uckermark (Brandenburg) und Berlin-Kreuzberg-Friedrichshain. Dieser Bezirk ist auch der einzige Berliner Bezirk, der auch kontinuierlich mich unterstützte. Mit einer Selbstverständlichkeit wurde auch von den beiden Bürgermeistern (Grüne und Linke) gleich vier Mal im Laufe der Jahre meine Ausstellung eingeladen und auch eröffnet. K.S. Wie ist es für Sie, mit Kindern zu arbeiten? M.S. Da ich vom Beruf her schon immer mit Kindern gearbeitet habe, dies vor allem oft mit denen, die von Kolleginnen quasi "aufgegeben" worden sind..., macht es mir sehr großen Spaß. Zudem kann ich sehen, wie mit einfachen Mitteln den Kindern einen Anstoß zum Umgang miteinander gegeben werden kann in entspannter Atmosphäre Die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler bestätigen dies. 1. "Frau Schramm, sie sind die beste Frau der Welt" (Ein Grundschulkind). 2. "Das war meine beste Unterrichgtsstunde die ich je hatte"(- ebenfalls ein Grundschulkind). Die Größeren brachten ihre Begeisterung auch entsprechend zum Ausdruck. K.S. Was war das frustrierendste Erlebnis - in Bezug auf Ihre Arbeit, das Sie im Laufe der Jahre hatten? M.S. Wenn LehrerInnen mir mitten in meinen Workshop gegenüber ohnehin rechtsorientierten Schülern meinen erklären zu müssen, das die "Linken viel schlimmer seien, als die Rechten" und ich" einseitig sei" - sehr zur Freude dieser Schüler. Oder mir wurde nach einem Workshop schriftlich (per Brief) mitgeteilt, ich "solle doch besser mein Konzept ändern, denn wenn man genau (intensiv) auf meine Bilder sähe, könnte man zum Nazi werden"... Oder ich würde eine "Werbeschau für Nazis (oder Sachbeschädigung) machen"... Ebenso die oft erlebte öffentliche Ablehnung gegenüber meinem Projekt. Nun, ich habe nicht umsonst 2000 und 2010 zwei "Auszeichnungen" zurückgegeben. So sieht man doch allein den Hohn, dass zum Beispiel das "staatliche Bündnis für Toleranz und Demokratie" meine Ausstellung zwar mit einem Preis versehen hatte von 8 Jahren, aber bloß um Himmels Willen nicht zeigen will, da man sie angeblich nicht kenne... Wie auch immer... K.S. Was war das schönste Erlebnis - in Bezug auf Ihre Arbeit, das Sie im Laufe der Jahre hatten? M.S. Es gab glücklicher Weise auch etliche sehr schöne Erlebnisse zu meinem Projekt! 1. Wenn ich es deutlich erkennen kann, das und vor allem w i e meine Ausstellung, d.h. mein Projekt überhaupt willkommen ist. Was mich zum beispiel sehr gerührt hatt, war eine Kinderzeichnung im Gästebuch meiner in Asti bei Turin (in Italien) gastierenden Ausstellung während eines politischen Festivals. Ich wurde von einem gezeigten Film abgemalt und dann bekam ich buchstäblich den "Nobelpreis" umgehängt! Ist das etwa nichts ? Auch dieses Jahr war ein Höhepunkt für mich. Ich bin zum "Flow - Festival" mit meinem Workshop "Mit bunten Farben gegen braune Parolen" eingeladen, woran sich mehrere Graffiti-Künstlerinnen und Künstler beteiligt haben. Zu meiner großen Überraschung eröffnete der Kultuminister von Finnland sogar mein Projekt und griff auch selbst zur Farbspraydose. Ich wurde von vielen Festivalbesuchern aufgehalten und positiv angesprochen. Auch dass ein Nazi wegen mir ausgestiegen ist und zwei weitere mir bestätigten, dass mein Projekt sie beeindruckt hätte und das ihnen auch beim Ausstieg geholfen hat.
K.S.
Haben Sie Vorbilder oder Idole? M.S. Ja! Es waren schon immer Nelson Mandela, Martin-Luther-King und Rosa Luxemburg.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
M.S.
Ich wünsche mir in erster Linie, dass die noch immer spürbare Scheinheiligkeit gegen private Initiativen aufhört, ebenso die Kriminalisierung etlicher mutiger MitstreiterInnen. Allerdings mache ich mir nach nun 17 Jahre Ignoranz und Ablehnung keine Hoffnung mehr auf Unterstützung. Wenn man bedenkt, dass n u r das Aussteigerprojekt EXIT Deutschland den Wert meiner über allein 15.100 Fotos umfassenden Dokumentation erkannt hat und damit arbeiten möchte. Dessen Dank war eine tolle Anerkennung mit der Auszeichnung am 3. November diesen Jahres als "EXIT-Botschafterin" mit vier anderen engagierten Personen.
K.S. Frau Mensah-Schramm, was möchten Sie Menschen mit auf den Weg geben, die sich für Sie und Ihr Engagement interessieren? M.S. Mein Engagement kann eigentlich nur Bestand haben, den langen Atem zu behalten und sich nicht entmutigen zu lassen. Die "Früchte erntet" man, wenn man es nicht erwartet und so ist die Freude und Begeisterung gleichwohl größer! Für die Würde der Mitmenschen sich zu engagieren, auf die eine oder andere Weise ist ein sehr, sehr wichtiger Bestandteil für gelebte Demokratie!
Vielen Dank Frau Mensah-Schramm, dass Sie sich Zeit für dieses Interview genommen haben. Wir und unsere Leser hoffen, bald mehr von Ihnen zu hören und zu lesen.
Das Interview führte Klaus Schampaul für www.aprioripost.de
Mehr über Frau Mensah-Schramm finden Sie hier auf aprioripost.de
Das Foto von Frau Mensah-Schramm stammt von Norbert Siegl, Wiener Graffiti-Archiv.
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