Wie kann es eigentlich sein, dass viele Menschen ihre Daten heute freiwillig verschenken, und zwar nicht nur die eigenen, sondern auch noch die ihrer Freunde, ArbeitskollegInnen und Bekannten? Jedenfalls tun dies alle diejenigen, die ein Smart-Phone mit WhatsApp benutzen – wie heute hinreichend bekannt ist.
Darunter befinden sich auch viele der BürgerInnen, die Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre bei den Begriffen Datensammlung starr vor Schreck wurden. Einige der Älteren unter uns werden sich noch gut daran erinnern, wie groß die Angst vor dem Ausspionieren und dem Sammeln von Daten in den Zeiten von Rasterfahndung war. Es war ein Riesenthema in Westdeutschland. Denn mit Einführung der „Rasterfahndung“ ging auch unter ganz normalen ehrbaren Bürgern die Angst um, sie könnten ausspioniert und verhaftet werden, weil sie z. B. ein linkes Buch im Regal hatten oder nur Fahrrad statt Auto fuhren.
Was war die „Rasterfahndung“ der 70er? Damals gingen die Fahnder beim Bundeskriminalamt davon aus, dass RAF-Terroristen in anonymen Großwohnanlagen mit Tiefgaragen lebten, sich polizeilich nicht anmeldeten und die Miete oder Strom bar bezahlten. Sie verglichen deshalb die Daten der Einwohnermeldeämter und Kindergeldkassen mit denen von Energieversorgungsunternehmen und Wohnungsmaklern. Übrig blieben Leute, die kein Kindergeld bezogen, auf die kein Fahrzeug zugelassen war und die ihre Stromrechnungen bar bezahlten, was nicht nur auf Terroristen zutraf. Dabei war Willy Peter Stoll der wahrscheinlich einzige Terrorist, der auf Grund der Rasterfahndung ermittelt werden konnte. Die größten Fahndungserfolge in dieser Hinsicht brachte erst der Zusammenbruch der DDR, aus der – so ganz nebenbei - zuvor Menschen geflohen waren, um der Stasi-Überwachung zu entkommen.
Noch ein Meilenstein westdeutscher Wehrhaftigkeit gegen die Überwachung: Vor dem Hintergrund der Rasterfahndung wurde auch die für 1981 geplante Volkszählung boykottiert. In vielen Städten bildeten sich Bürgerinitiativen gegen diesen neuen Versuch des Datenklaus. Landesweit gab es über 1000 solcher Boykott-Gruppen. Damals nahmen die Volkszählungs-VerweigerInnen sogar Bußgelder in Kauf.
Am 13. April 1983 urteilte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die Volkszählung so nicht durchgeführt werden könne. Das Volkszählungsurteil galt damals als Meilenstein für eine stärker am Datenschutz orientierte Rechtsprechung.
Woher kommt also die heutige Gleichgültigkeit der zum Teil selben Menschen, die in den 70ern und 80ern gegen Rasterfahndung und Volkszählung auf die Straße gegangen sind bzw. von solchen, die sogar ihr Leben riskierten, um der Überwachung zu entkommen? Denn auch ehemalige DDR-BürgerInnen, die massiv unter dem damaligen Überwachungsstaat zu leiden hatten, benutzen heute freiwillig WhatsAPP oder stellen Intimitäten bei Facebook ein!
Vielleicht liegt es ja daran, dass wir uns so ohnmächtig fühlen ob der massiven Überwachung, mit der Big Data uns überzieht. Warum dann also nicht gleich freiwillig alles hergeben bei Facebook und WhatsApp? O.k. Aber dann bitte erst die Kontakte fragen, ob sie auch damit einverstanden sind.
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