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Die europäische Asyldebatte

Die europäische Asyldebatte

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Die europäische Asyldebatte


Dass so viele Menschen den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer wagen, um nach Europa zu gelangen, ist sehr verständlich. Fliehen sie doch vor Bedingungen, die das Leben nicht nur unerträglich machen, sondern in vielen Fällen sogar unmöglich. Wenn um einen herum nichts mehr wächst, wenn der Lebensraum überflutet ist oder Erdbeben ihn zerstört haben, wenn gar nichts mehr da ist, wovon man sich ernähren kann oder wo man überhaupt noch Schutz hat und wohnen kann, dann würde doch jeder von uns versuchen, zu entkommen. Nochmal: Niemand verlässt seine Heimat, wenn sie lebenswert und zukunftsversprechend ist.

Menschen wandern seit Jahrhunderten aus weniger lebensbedrohlichen Gründen aus, und dass sich viele europäische Länder so schwertun, diese völlig entwurzelten Menschen aufzunehmen, ist nicht nur ein Mangel an Empathie, sondern auch eine Schande.

Da ist der Ruf nach Verfolgung von Schleppern oder nach Verschärfung der ohnehin schon menschenunwürdigen Frontex-Maßnahmen eher zynisch als nachvollziehbar. Sind es die Schlepper, die Menschen aus ihrer Gemütlichkeit aufstöbern und zur Flucht überreden? Nein! Niemand verlässt seine Heimat ohne Not, sondern es sind Menschen ohne Perspektiven, die die Schlepper aufsuchen und um Hilfe ersuchen. Klar, dass das ein Geschäftsmodell ist, teuer für die Betroffenen, illegal und lebensgefährlich. Aber es ist davon auszugehen, dass für jeden Schlepper, der aufgegriffen wird, andere sofort zur Stelle sind. Solange es verzweifelte Menschen gibt, die vor Kriegen, Hungersnöten und Naturkatastrophen fliehen, solange wird es Schlepper geben.

Und Frontex, der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, werden immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Während innerhalb Europas Freizügigkeit gilt, soll diese Einrichtung verhindern, dass Menschen von außerhalb Europas einwandern, und sie scheint dies mit allen Mitteln zu tun. Amnesty International z. B. wirft Frontex vor, Boote auf dem Mittelmeer zu entern, um den Menschen die Lebensmittel und Wasser wegzunehmen und sie damit zur Umkehr zu zwingen. Nun ist von einer weiteren Verschärfung die Rede. Werden demnächst Schusswaffen zum Einsatz kommen?

Dass in Lampedusa im September 2023 mehr als 10.000 Menschen auf Booten eingetroffen sind, hängt wahrscheinlich mit den Anstrengungen der EU zusammen, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären zu lassen. So groß ist die Not vieler Menschen, dass sie mit allen Mitteln und noch rechtzeitig versuchen, dieser zu entkommen. Dennoch sind es in der Regel nur die Stärksten, meistens junge Männer, die die Kraft haben, diesen lebensgefährlichen Weg zu beschreiten. Man möchte sich nicht vorstellen, wie es den Zurückgebliebenen geht: Kinder, Frauen und alte Menschen, die nicht in der Lage sind, sich auf diesen Weg zu machen.

Die Einheimischen (z. B. in Lampedusa, auf den griechischen Inseln, Malta u.a.) sind in aller Regel hilfsbereite Menschen, die über Jahre mithelfen, die Geflüchteten zu versorgen und zu verpflegen. Aber auch sie sind überfordert und kommen an ihre Grenzen.

Dennoch gibt es in der EU nach wie vor keine Lösung für das Migrationsproblem, und dieses wird mit Sicherheit größer werden. Die Klimakatastrophen nehmen zu, und immer mehr Menschen werden versuchen zu flüchten, um zu überleben. Ja, es geht ums Überleben. Wenn jemand nur die Wahl hat, an dem Ort, wo er ist und den er bisher als seine Heimat angesehen hat, zu verhungern oder sich auf eine lebensgefährliche Flucht zu begeben, dann wird er aller Wahrscheinlichkeit nach letzteres wählen.

Griechenland, Spanien und Italien sind die Länder, die am meisten betroffen sind, denn dort landet die Überzahl der Geflüchteten. Das sind dann immer auch die Länder, die - laut Dublin-Abkommen - für die Prüfung der Asylanträge zuständig sind. Auch für die Verantwortlichen in diesen Ländern ist das eine Überforderung, wie man im September 2023 an den Zuständen in Lampedusa und seit vielen Jahren an denen der griechischen Inseln sieht.

So wie auch zahlreiche Kommunen in Deutschland, die seit Beginn des Ukraine-Kriegs zusätzlich zu den vielen Asylsuchenden Hundertausende Kriegsflüchtlinge aufgenommen haben. Auch sie sind an ihre Grenzen gekommen.

Ein Lösungsvorschlag, der nicht funktioniert, ist der der "gerechten" Verteilung der Geflüchteten auf alle EU-Länder.Trotzdem wird dieser Vorschlag immer wieder eingebracht. Die Mühlen der EU mahlen sowieso schon langsam, aber statt erfolgloser Maßnahmen müssten dann doch andere Ideen her. Selbst, wenn sich Länder aus der Verteilungspflicht herauskaufen können, verringert das nicht die Anzahl der Asylsuchenden; die Belastung tragen dann nach wie vor die wenigen Länder, die sich an die Genfer Flüchtlingskonvention halten.

Auch die Idee, mehr Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, wird in der EU diskutiert und wohl demnächst auch in die Tat umgesetzt. Aber das bedeutet auch, die Augen vor unangenehmen Wahrheiten zu verschließen. Denn nicht nur werden die Menschen trotzdem kommen - vielleicht auf noch gefährlicheren Wegen -, aber dieser Vorschlag bedeutet auch, sich mit Menschenhandel, Aussetzen von Asylsuchenden in der Wüste oder mit Ausfliegen von Personen in ferne Länder oder mit Gefangenenlagern wie die in Lybien abzufinden. Jedenfalls sind das die Methoden, die praktiziert wurden und werden und denen man niemals hätte zustimmen dürfen. Denn was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

Erwägenswert wäre - und das ist der Vorschlag von einigen Kommunalpolitikern bei uns in Deutschland - die Geflüchteten nicht einfach nur monate- oder jahrelang in Sammelunterkünften vor sich hin vegetieren zu lassen, sondern ihnen Arbeitsangebote zu machen. Die meisten Menschen wollen arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Die Landessprache lernt man sowieso am besten by doing. Dieser Vorschlag betrifft immerhin die große Zahl von Asylsuchenden, die bereits im Lande sind. In anderen Ländern wird das mit Erfolg praktiziert. Das würde nicht nur zur Entlastung des Fachkräftemangels beitragen, sondern auch die Integration erleichtern.

Auch das neue Einwanderungsgesetz kann Abhilfe schaffen, nicht nur zur Behebung des Arbeitskräftemangels, sondern auch legale Wege für Menschen öffnen, die sich woanders eine Zukunft aufbauen möchten. Die große Zahl derjenigen, die sich aus Kriegsgebieten, wegen Verfolgung oder Naturkatastrophen oder schlichtweg wegen Armut und Elend auf den Weg machen wollen, betrifft das allerdings nicht.

Für diese müssen Anstrengungen ünternommen werden, ihre Situation vor Ort zu verbessern. Das, was sich „Fluchtursachen bekämpfen“ nennt, ist natürlich ein riesiges Feld und eine große Herausforderung und je nach Herkunftsland völlig unterschiedlich. Allerdings hört man dazu nichts. Obwohl es des Pudels Kern ist, scheint es nicht diskussionswürdig. Dennoch müsste dafür alles - auch zum Wohle Europas - dafür getan werden. Was geht da? Welche Vorschläge gibt es? Vielleicht kenne ich sie einfach nicht oder noch nicht.

Jedenfalls vermisse ich diesen Bereich der politischen Diskussion. Statt dessen nehme ich immer nur wahr, dass es um Abgrenzung und Abschottung geht. Selbst unser ehemaliger Bundespräsident fand am 17.09.2023 zur Asyldebatte, man müsse jetzt „Spielräume entdecken, die inhuman klingen.“ Das aus dem Mund eines hochrangigen Politikers, dem „Pfarrer der Nation“, ist in der Tat inhuman und verachtenswürdig.

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