Von Karin Hoffsten (mit freundlicher Genehmigung der Autorin, veröffentlicht in der Schweizer Wochenzeitung WOZ am 28. März 2024)
Das Kerngeschäft eines Fussballverbands besteht ja darin, die eigene Mannschaft so erfolgreich zu managen, dass sie Spiele gewinnt. Dass das dem Deutschen Fussballbund (DFB) mit seiner Nationalelf gerade zweimal gelungen ist – beim 2:1 gegen die Niederlanden vorgestern gar im neuen pinken Trikot –, geht fast unter angesichts der Widrigkeiten, mit denen er sich derzeit sonst rumschlagen muss.
Noch hat sich die vaterländische Diskussion über den geplanten Wechsel von Adidas zu Nike als Ausrüstungsfirma nicht beruhigt, gibts schon neuen Ärger: Antonio Rüdiger, deutscher Nationalspieler und bekennender Muslim, hat seiner Glaubensgemeinschaft einen gesegneten Ramadan gewünscht – mit einem Foto, das ihn auf dem Gebetsteppich kniend mit erhobenem Zeigefinger zeigt. Und wieder tobt ein Sturm durchs mediale Gestrüpp: Ist Rüdigers Zeigefinger hier der sogenannte Tauhid-Finger, der zum traditionellen islamischen Gebet gehört, oder ein «Islamistengruss von Isis»? Letzteres behauptet Julian Reichelt, einst unter Getöse entlassener «Bild»-Chefredaktor, auf seinem obskuren Portal nius.de. Der DFB und Antonio Rüdiger haben gegen Reichelt Anzeige wegen Verleumdung, verhetzender Beleidigung und Volksverhetzung erstattet.
Aber auch die Auseinandersetzung über den Ausstatterwechsel ist noch nicht ausgestanden. Was da deutsche Politiker:innen aller Parteien an patriotischem Schrott äussern, ist nicht nur lächerlich, sondern fast erschreckend. Von Markus Söder war ja nichts anderes zu erwarten als: «Die Nationalelf spielt in drei Streifen – das war so klar, wie dass der Ball rund ist und ein Spiel 90 Minuten dauert.»
Doch selbst Robert Habeck fand: «Hätte mir mehr Standortpatriotismus gewünscht», was den AfD-Abgeordneten Rainer Kraft zu «Der Tag ist gekommen, an dem ich Robert Habeck recht geben muss» animierte. Und Karl Lauterbach seufzte: «Ein US-Unternehmen? Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet.»
Da fragt man sich schon, wie informiert die Herrschaften eigentlich über die Weltwirtschaft sind? Nike lässt seine Waren in Vietnam, Indonesien und China produzieren. Und die Produktionsstandorte von Adidas sind Indonesien, Kambodscha, Vietnam und China, laut Geschäftsbericht «wurden im Jahr 2022 97 Prozent unserer Schuhe in Asien produziert». Was zur Hölle ist daran so deutsch?
Deutsch ist vor allem die Geschichte von Adidas. Anfang der 1920er Jahre von den Brüdern Adolf und Rudolf Dassler gegründet – beide traten 1933 in die NSDAP ein –, produzierte die Firma Dassler Schuhe fürs sportbegeisterte Volk, für die Olympischen Spiele und später für die deutsche Wehrmacht. Dassler beschäftigte Zwangsarbeiter und produzierte ab 1943 statt Schuhen Panzerabwehrwaffen. Nach dem Krieg zerstritten sich die Brüder. Adolf – oder Adi – Dassler, führte Adidas ein, während Rudolf Dassler die Marke Puma gründete.
Heute Vormittag wurde überigens gerade das Schweizer Trikot für die EM 2024 vorgestellt, das von Puma stammt. Es sei «eine Hommage an die Schweizer Kultur», heisst es, seine Grafik vereine «das kulturelle Erbe des Landes mit seiner alpinen Eleganz». Patriotischen Kitsch kann die Schweiz schliesslich auch.
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